Caillean, geb. 09.05.2000 - gest. 08.05.2002

Ein neues Leben
Caillean kam an einem wunderschönen Mai-Abend zur Welt. Die Luft war noch warm von einem sonnigen Frühlingstag, die Sterne glitzerten. Sie war Cedars Erstgeborene und damit Catherins erste Enkeltochter. Schon lange hatte ich darauf warten müssen, endlich von Cedar ein Fohlen zu bekommen, und nun war es endlich da. Mit Argusaugen hatte ich über die Maidenstute gewacht und so war es selbstverständlich, dass ich den ersten Atemzug des neuen Lebens geniessen konnte.
Caillean war ein äusserst schönes Fohlen: grazil, elegant, unendlich lange Beinchen, ein hübsches Köpfchen mit wachen grossen Augen. Ihre Farbe war für einen Knabstrupper eher ungewöhnlich: sie kam flammendrot zur Welt, das Fell sprühte regelrecht Funken, nur der kleine Fohlenschweif zeigte, dass hier Farbzucht mit im Spiel war: schwarz-weiss in Längsstreifen. So etwas hatte ich auch noch nicht gesehen. Dieses kleine elegante Wesen hatte sofort mein Herz gewonnen. Sie konnte gar nicht anders heissen als Caillean, was im Gälischen so viel bedeutet wie "mein Herzblatt".
Cailleans Mutter machte einen grossen Zirkus um ihre Erstgeborene. Cedar war sonst ausgesprochen sanftmütig, aber selbst ihre Grossmutter, die bewährte Leitstute der Herde, durfte sich nicht nähern, um das neueste Herdenmitglied zu begutachten. Auch ich musste Abstand halten. Nur so konnte ich mir Cedars Vertrauen erhalten. Aus einiger Distanz wurden also Mutter und Fohlen so gut es ging jeden Tag in Augenschein genommen, damit man sich ihrer Gesundheit versichern konnte.
Caillean war so natürlich ein scheues Fohlen und ein wahrer Wildfang. Alle anderen Fohlen kamen täglich zu uns heran, um sich kraulen zu lassen und uns zu beschnuppern, aber Caillean behielt immer einen Sicherheitsabstand von mindestens drei Metern bei.
Einige Wochen später passierte nun, was immer mal passieren kann. Die Pferde waren durch den E-Zaun gerannt und Caillean hatte sich an der äusseren Weideumzäunung stark verletzt. Die Vorderbeine waren stark aufgerissen, das Blut lief; nur mit Mühe und Not konnten wir den schwerverletzten kleinen Wippstert einfangen und in den Anhänger verfrachten, um aufzustallen und die tägliche Pflege zu garantieren.
Auf diesem Wege lernte Caillean, dass die merkwürdigen Zweibeiner wohl doch nicht ganz so schlimm waren wie befürchtet. Die Versorgung der Wunden war zwar nicht angenehm und tat auch weh, aber es gab ja immer Leckerlis, Streicheleinheiten und sanfte Worte.
So wuchs Caillean weiter, musste, nachdem die Wunden verheilt waren, jeden Tag ein Schritt-Training absolvieren, da sie sich bei ihrer Verletzung regelrecht Muskelstränge rausgerissen hatte, die nun wieder aufgebaut werden mussten. Sie wurde gelassen, nahm alles, was man von ihr verlangte, tapfer hin und entwickelte sich immer mehr zu einer wahren Schönheit.

 

 

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