Die Fohlengeburt

Die Geburt ist immer etwas ganz Besonderes und ein Wunder der Natur.
Jedes Jahr darf ich die Geburt eines Fohlens aufs Neue erleben und jedes Mal bin ich von Ehrfurcht erfüllt. Es gibt nur wenige Momente im Leben, wo sich die Seele labt, wo das Wort Magie ganz natürlich ist. Das Herz läuft einem über und man ist dankbar, dass man an einem so herrlichen magischen Geschehen wie der Geburt neuen Lebens dabei sein darf. Seitdem ich selbst Mutter bin, ist dieses Gefühl noch viel intensiver.
Klingt kitschig, klischeehaft? Macht nichts! Ich stehe dazu!!!
Das Thema Fohlengeburt ist ein Unendliches. Viele Menschen haben verschiedene Auffassungen, wie man sich auf dieses Ereignis vorzubereiten hat, was beachtet werden muss, wie man eingreifen sollte, usw. usw. Von all diesen Dingen möchte ich hier nicht berichten, sondern ich möchte schildern, wie ich es jedes Jahr erlebe und handhabe. Vorausschicken muss ich allerdings, dass ich zu meinen Pferden ein äusserst inniges Verhältnis habe und dass ich das volle Vertrauen meiner Pferde geniesse. Dies danken und zeigen sie mir dadurch, dass sie es wünschen und sich darauf einstellen, dass ich bei den Geburten dabei bin.

Die Fohlenwache
Ca. 2-3 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin beginne ich mit der Fohlenwache. Dies ist der nervenaufreibendste Teil im Jahr und ich brauche manchmal Monate, bis ich wieder in den ordentlichen Schlafrhythmus gefunden habe. Da heisst es abends eine Kanne starken Kaffee schlürfen und gegen Mitternacht in den Stall fahren. Dort halte ich mich dann Nacht für Nacht bis ca. 3.00 Uhr auf. Wart Ihr nachts schon mal in Eurem Pferdestall? Na, dann wisst Ihr ja, was Pferde für einen Krach machen! Es gibt einige, die schnarchen, dass sich die Balken biegen. Einige stehen alle 20 Minuten wieder auf, um 20 Minuten lang zu fressen, zu trinken und zu furzen. Dann legen sie sich wieder hin und schlafen 20 Minuten, usw. usw. Die hochtragende Stute ist anders. Sie steht und döst. Sie frisst bedächtig und still. Sie trinkt langsam. Der Bauch senkt sich, die Bänder der Kruppe fallen ein. Das Euter ist schon stark gefüllt, manchmal eutert sie auch wieder ab (ein natürlicher Vorgang, damit die Milch nicht vorzeitig ausschiesst). Ein Leckerli wird aber noch gern genommen.
Wenn ich in den Stall komme und später, wenn ich ihn verlassen will, messe ich noch mal die Temperatur der hochtragenden Stute. Diese liegt meist bei 38,2 - 38,6 Grad Celsius. Bei diesen Körpertemperaturen kann ich sicher sein: in den nächsten 24 Stunden wird es wohl keine Geburt geben. Wieder zu hause angekommen finde ich keine Ruhe. Geht es der werdenden Mutter und dem ungeborenen Kind auch gut, wenn ich nicht in der Nähe bin? Der Tag der errechneten Geburt rückt näher, die Unruhe in mir wächst. Wird auch dieses Jahr alles gut gehen? Eines Nachts messe ich die Temperatur: sie liegt bei 37,5 Grad Celsius! Ein deutliches Zeichen dafür, dass innerhalb der nächsten 24 Stunden mit der Geburt zu rechnen ist! Wieder zu Hause angekommen, suche ich Beschäftigung. Sind alle Rechnungen bezahlt und abgelegt? Muss ich die Küche noch schrubben? Verdammt, ich habe in den letzten 2 Wochen nachts schon alles saubergemacht, dass es nur so blinkt! Also gehe ich morgens um 4.00 Uhr noch mit den Hunden spazieren für 2 Stunden. Der lange Tag, die tiefe Nacht - der grosse Moment! Spätestens nachmittags hält mich nichts mehr zu hause! Ab in den Stall und nochmals Temperatur messen! Das Thermometer zeigt: 37,2 Grad Celsius - nun besteht kein Zweifel mehr! Diese Nacht wird ein Fohlen zur Welt kommen! Ganz kleine Harztropfen sind am Euter zu erkennen. Die Schleimhäute der Scheide sind stark durchblutet und leuchten tiefrot, die Kruppe ist noch mehr eingefallen, der Bauch hängt ganz tief.
Ich fahre wieder nach Hause und weiss: dies wird eine anstrengende und schöne Nacht, es ist die letzte Nacht der Fohlenwache in diesem Jahr!

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