Abends um 11.00 Uhr bin ich schon wieder im Stall (natürlich mit 2 Kannen starkem schwarzem Kaffee intus!). Ich betrete die Stallgasse und werde auch schon angeblubbert von der Stute. Das ist ein absolut sicheres Zeichen dafür, dass sie schon durch die ersten Wehen durch ist. Ich betrete die Box, um zu kontrollieren, wie weit der Geburtsvorgang schon fortgeschritten ist: Die Stute flehmt, kreist, schwitzt. Sie tritt sich den Bauch, dreht den Kopf zum Bauch. Ja, die Eröffnungswehen sind schon in Gange. Es wird allerdings noch eine Weile dauern bis es soweit ist. Die Wehe ist durch, das Pferd frisst noch unmutig ein paar Halme Heu. Die Unruhe bleibt, die Stute weiss, was noch auf sie zukommt. Sie drückt mir ihren Kopf an den Arm. Ich muss sie kraulen und ihr Mut zusprechen. Dann verlasse ich die Box, um einige Strohballen vor der Box zu stapeln. Diese werde ich nach der Geburt benötigen, damit Mutter und Fohlen bis zum nächsten Morgen trockenstehen in ihrer Box. Mittlerweile ist es fast 1.00 Uhr morgens. Die Stute kommt an die Boxenwand: Komm jetzt, es ist gleich so weit und ich brauche Dich hier! Na, da habe ich aber ein gutes Timing, denn das Mash ist bereits aufgekocht und am Durchziehen. Wenn die Presswehen jetzt tatsächlich kommen und die Geburt vollzogen ist, dann ist das Mash futtergerecht abgekühlt! So ist es dann auch tatsächlich! Die Stute äppelt, sie uriniert, presst, und dann platzt die Fruchtblase.
Ich betrete die Box, die Stute zirkelt noch einmal und legt sich nieder, mit dem Rücken an die Wand. Sie presst und es erscheinen zwischen den nun austretenden Eihäuten 2 kleine Hufe; sie presst wieder und es erscheint direkt über den Hufen ein kleines Mäulchen. Gott sei Dank zeigt mir dies, dass das Fohlen richtig liegt! Schlimm wäre eine Steisslage, unmöglich eine Querlage! Die Stute presst wieder, aber es folgen noch 1-2 cm mehr von Hufen und Nase des Fohlens. Sie steht wieder auf und zirkelt. Unaufhörlich verliert sie dabei weiteres Fruchtwasser. Dies ist gut, denn dann flutscht das Fohlen nachher. Schlimm wäre es, wenn die Fruchtblase zu früh geplatzt wäre, denn dann wäre der Geburtskanal trocken. Sie legt sich wieder hin und stöhnt. Dann reckt sie den Kopf hoch und schaut zu mir rüber: Nun hilf doch mal! Sag was! Mach was! Das tut weh! Nein, ich werde noch nicht einschreiten. Die Geburt verläuft normal. Es ist erst wenig Zeit vergangen. Sie presst und wieder geht es nur einige Zentimeter vorwärts. Ich kann sehen, dass es ein grosses Fohlen ist! Na, keiner hat behauptet, dass es einfach ist, Kinder auf die Welt zu bringen!

Nach weiteren 4-5 Pressvorgängen sehe ich, dass es nicht wesentlich weitergeht. Dieses Fohlen hat wieder die Schulter seiner Mutter geerbt, es wird optimales Lungenvolumen erreichen, aber dazu muss es erst einmal komplett auf der Welt sein. Die Stute schwitzt stark und hat schon keine Lust mehr, ganz allein zu arbeiten. Schliesslich muss es doch auch einen Vorteil haben, wenn Frauchen schon mal da ist! Ich erbarme mich und ergreife die Vorderbeine des Fohlens, um beim nächsten Pressvorgang gegenzuhalten. Auf keinen Fall werde ich daran ziehen, denn ich will keinen Scheidenriss, Gebärmutterriss oder Gebärmuttervorfall provozieren. Mit dem Gegenhalten vermeide ich jedoch, dass das, was bei der letzten Wehe rauskam, wieder zurückrutscht. Strengt sich die Stute jetzt an, rutscht die Schulter des Fohlens durch den Geburtskanal und das Kindchen ist da. Doch die Stute presst nicht. Sie atmet einfach drüber weg. So wird das nichts, denke ich mir und ich schnauze sie laut an (egal, die anderen Pferde sind sowieso hellwach, denn sie haben schon längst mitbekommen, was da vor sich geht. Pferde sind ja so erwartungsvoll neugierig, wenn sich ein neuer Erdenbürger auf den Weg macht!) "Los, pressen jetzt, PRESSEN!" - Die Stute strengt sich nun noch mal ordentlich an und flutsch - ich sitze auf dem Arsch und habe ein grosses nasses Bündel im Arm. Diesmal ist die Eihaut nicht aufgegangen! Ich zerreisse sie mit meinen Fingern, lege den Kopf frei, wische die Nüstern aus und das Mäulchen. Da geht ein Zittern durch den kleinen Körper, die viel zu grossen Ohren schlackern, die Nase kräuselt sich, die Augen gehen auf! Jetzt schnaubt das grosse nasse Bündel und macht einen tiefen Atemzug. Und es zittert am ganzen Leib! - In Mamas Bauch war es wärmer! Es sind ca. 2 Minuten vergangen. Die Stute blubbert und steht auf, die Nabelschnur zerreisst - jetzt sind es 2 Pferde.

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